Sehr geehrter Herr Dr. Beck,
wir wenden uns an Sie als obere Bauaufsichtsbehörde, mit der Bitte um Überprüfung der Genehmigung des im Betreff genannten Sonderbaus im Rheingau, Stadt Oestrich-Winkel, dort Hallgarten.
Gemäß dem Bauschild des vorgenannten Bauvorhabens ist ausgeführt: „Sonderbau: Neubau eines Gutsausschanks mit Vinothek und einer Betriebsleiterwohnung sowie Erweiterung einer bestehenden Kelterhalle durch eine Überdachung für Geräte“.
Dieses Bauvorhaben ist nahezu fertiggestellt. Wir fügen einige aktuelle Fotografien vom 6. August 2017 bei, die den Sonderbau als solchen, sowie diverse Blickbeziehungen der Rheingauer Kulturlandschaft auf diesen Sonderbau zeigen.
Wir bitten Sie, sowohl das Genehmigungsverfahren der Bauaufsicht in Bad Schwalbach, als auch die Genehmigung des Bauvorhabens der Bauherrengemeinschaft Christine und Peter Keßler als solche zu überprüfen.
Wir vertreten die Auffassung, dass die Genehmigung des Bauvorhabens, unter verschiedenen rechtlichen Anforderungen, nicht den gesetzlichen Vorschriften entspricht und tragen hierzu folgendes vor:
Gutsausschänke sind, im Gegensatz zu Straußwirtschaften, als „normale“ Schank-und Speisegaststätten und somit als gastronomischer Gewerbebetrieb einzustufen. Ein Gutsausschank kann durchgängig über das ganze Jahr ohne Einschränkungen geöffnet bleiben. Allerdings fehlt bei einem Gutsausschank im Außenbereich das Merkmal der Privilegierung. Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang eine sehr restriktive Haltung eingenommen: „Die Schank-und Speisewirtschaft eines Winzerbetriebes im Außenbereich nimmt an der Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB nicht Teil“ (BVerwG, Beschluss vom 24.02.1989). Dies gilt auch dann, wenn in der Gaststätte die Speisen im Wesentlichen aus eigenen Produkten angeboten werden (BVerwG, Beschluss vom 23.06.1995).
Ein Gutsausschank im Außenbereich stellt weitaus höhere Anforderungen an die Verkehrserschließung, Ver-und Entsorgung, öffentliche Beleuchtung, usw. als eine Straußwirtschaft. Da dieses Bauvorhaben im Außenbereich als nicht privilegiertes Vorhaben zu beurteilen ist, durfte es daher zunächst nur im unbeplanten oder beplanten Innenbereich zugelassen werden. Zur Realisierung eines Gutsausschankes im Außenbereich ist die Schaffung von Baurecht erforderlich.
Die klassische Bebauungsplanung als „Angebotsplanung“ kann nicht herangezogen werden, da die städtebauliche Erforderlichkeit zur Rechtfertigung der Bauleitplanung in der Regel nicht vorliegt. Die Bauleitplanung ist daher unzulässig, soweit sie zu einer geordneten städtebaulichen Entwicklung nicht in Beziehung steht (BVerwG 45,309/312).
Auch die Aufstellung eines Bebauungsplanes für ein Grundstück wäre gemäß § 1 Abs. 1 BauGB nicht zulässig, wenn das Grundstück ausschließlich aus wirtschaftlichen Eigentümerinteressen geplant würde (BVerwG 34,301/305).
Über die Zulässigkeit von projektierten bzw. beantragten Gutsausschänken im Außenbereich ist daher auf der Grundlage eines „Vorhabenbezogenen Bebauungsplans“ zu entscheiden.
Da für das vorgenannte Bauvorhaben kein solcher Bebauungsplan erlassen wurde, ist es bauplanungsrechtlich als unzulässig zu beanstanden und die Baugenehmigung insoweit rechtswidrig. Ergänzend ist auf folgendes hinzuweisen:
Aufgrund ihrer Standortvorteile, zum Beispiel Anfahrbarkeit, Parkplätze usw., ziehen attraktive Außenbereichsgaststätten vor allem in den Sommermonaten größere Besucherströme an. Damit könnte zwar die gastronomische Anziehungskraft einer Kommune insgesamt gesteigert werden, andererseits werden Gäste aus den bestehenden Gaststätten in beengten Ortslagen abgeworben. Die in den Ortskernen vorhandenen gastronomischen Betriebe dienen überwiegend ganzjährig der Versorgung der Bevölkerung. Ganzjährige bzw. saisonale Konkurrenzen durch Außenbereichsgaststätten können unter Umständen zu einer wirtschaftlichen Beeinträchtigung der Innenbereichsgastronomie führen.
Auch unter dem Aspekt der Landschafts-und Denkmalpflege durfte nach unserer Auffassung der Sonderbau nicht genehmigt werden. Die Genehmigungsbehörde hat nach die Bestimmungen des § 35 BauGB nicht nur ermessensfehlerhaft ausgelegt, sondern rechtswidrig angewendet.
Zunächst beanstanden wir, dass nach Auskunft der Denkmalpflege diese seitens der Kreisbauaufsicht nicht in das Genehmigungsverfahren eingebunden worden ist. Dies ist umso mehr erstaunlich, als die Untere Denkmalschutzbehörde des Kreises und die Kreisbauaufsicht quasi Tür an Tür angesiedelt sind und zudem demselben Dezernat FD III.4 angehören.
Der Sonderbau gemäß Betreff hätte auch nicht genehmigt werden dürfen, weil er massiv öffentliche Belange beeinträchtigt. Der Sonderbau beeinträchtigt insbesondere die Belange der Landschaftspflege, des Denkmalschutzes und die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert. Zudem wird das Landschaftsbild durch diesen Sonderbau massiv verunstaltet. Wir verweisen auf die beigefügten Fotografien mit den für sich sprechenden Blickbeziehungen, nämlich:
– die Blickbeziehung vom „Schwarzes Häuschen“, im überragende Bedeutung besitzenden Steinberg der Domäne Kloster Eberbach, zum Sonderbau,
– die Blickbeziehung vom Hohlweg zwischen den Mauern des Steinberg zum Sonderbau,
– die Prägung der unzersiedelten Landschaft im Bereich der Hallgarter Zange durch den Sonderbau,
– der fantastische Blick vom Sonderbau auf die Weinbergslandschaft des Rheingau mit Steinberg und Rhein.
Es ist nur wenig Fantasie nötig, um sich vorzustellen, welchen „strahlenden Eindruck“ dieser Sonderbau ausübt, wenn er bei Dämmerung und nachts durch die Innenbeleuchtung und durch Anstrahlen besonders nachhaltig wirkt, oder die Sonne in der Verglasung des Sonderbaus reflektiert.
Auf „Kosten der Allgemeinheit“ wird es den Bauherren des Sonderbaus ermöglicht:
– in einer Premium-Lage äußerst attraktiven, sehr großen Wohnraum sowie eine äußerst attraktive, sehr große, ganzjährig betreibbare Gaststätte zu errichten; ein Privileg das keinesfalls durch § 35 BauGB abgedeckt ist.
Hierbei ist festzustellen, wie es sich aus den weiteren beigefügten Fotografien ergibt, dass der Bestandteil „Sonderbau: Erweiterung einer bestehenden Kelterhalle durch eine Überdachung für Geräte“ bezüglich der Größenordnung des Wohn-und Geschäftshauses nur äußerst untergeordnet ist, quasi eine Alibifunktion für das eigentliche Bauvorhaben darstellt (siehe die Halle mit den beiden Einfahrt-Rolltoren und das dominierende Haus, dort das gesamte Untergeschoss mit dem sich über die gesamte Front erstreckenden, verglasten Gastraum mit identischen Deckenleuchten, sowie das Obergeschoss als großzügigster Wohnung (gemäß Baugenehmigung: Betriebsleiterwohnung)).
Es soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass es nach Auffassung unseres Vereins diverse privilegierte, durchgeführte Bauvorhaben von Winzern im Rheingau gibt, bei denen die Winzer gezeigt haben, dass sie durchaus bereit sind, behutsam mit der Rheingauer Kulturlandschaft, letztendlich als deren Kapital, umzugehen. Diese Winzer haben die für den Betrieb deren Weingüter erforderlichen Hallen in weniger sensible, nicht frei einsehbare Bereiche gebaut und von der Bebauung von angegliederten großen Häusern mit Familienwohnung und Vinothek, Straußwirtschaft bzw. Gutsauschank abgesehen. – Diejenigen Winzer, die Bauvorhaben gemäß dem beanstandeten Sonderbau durchführen, haben vorrangig das Interesse, auf Kosten der Allgemeinheit, ohne Baugrund erwerben zu müssen, für private und geschäftliche Zwecke großzügigen Wohnraum und großzügigen Geschäftsraum in privilegiertem Ambiente zu schaffen. Dies ist nicht der Zweck der Privilegierung des Baugesetzes.
Die Kreisbauaufsicht hat das Bauvorhaben am 7. November 2016 genehmigt, zu einem Zeitpunkt, zu dem das Thema des Bauens im Außenbereich im Rheingau bereits hochpolitisch war und zumindest eine Sensibilisierung außerhalb der Behörde vorhanden war.
In der Folgezeit wurde durch massive öffentliche Intervention:
– das bereits genehmigte Aussiedlungsvorhaben „Hessische Staatsweingüter-Bau einer landwirtschaftlichen Halle hinter der Domäne Rauenthal in der Weinbergslage Baiken“ (Halle für Maschinen und Geräte nicht nur betreffend den dort befindlichen Betriebsteil) gestoppt und den Hessischen Staatsweingütern eine Alternativfläche für die landwirtschaftliche Halle in der Nähe der Sülzbachtal-Brücke in Eltville zugewiesen,
– das Aussiedlungsvorhaben des Weinguts Hirt-Gebhardt in Eltville, Premiumlage Sonnenberg, „Aussiedlung eines Weingutsbetrieb und 2 Wohneinheiten – Aktenzeichen Rheingau-Taunus-Kreis FD III.4-42-02-BA-03544/14“ (siehe die gegenüber unserem Verein abgegebene Stellungnahme Ihrer Mitarbeiterin, Frau Güldner vom 23. März 2017, deren Zeichen: III 31.4-64a Eltville 1/17) einer Überprüfung unterzogen,
– durch die Stadt Eltville ein Bebauungsplan „Landwirtschaftliche Hallen im Stockborn-Teil A“ am 18. Juli 2017 bekannt gemacht, mit dem Ziel und Zweck der Bauleitplanung, einen Standort für landschaftliche Hallen der Weingüter in Eltville auszuweisen.
Ferner wurden die Kommunen sensibilisiert und aufgefordert, ihre Beteiligungsrechte/Versagung des Einvernehmens gemäß § 36 BauGB wahrzunehmen.
All diese in jüngster Zeit eingetretenen Entwicklungen sind ein sehr starkes Indiz dafür, dass die Kreisbauaufsicht nicht nur die Privilegierung eines Vorhabens nach § 35 Abs. 1 BauGB rechtswidrig geprüft hat, sondern auch, sofern relevant, den sogenannten „mitgezogenen“, nicht privilegierten Teil des Vorhabens „unsensibel“ geprüft hat, dahingehend, ob dieser Teil dem privilegierten Vorhaben dient und untergeordnet ist.
Wir bitten um Ihre Stellungnahme.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Renate Quermann
Verteiler:
– Landrat RTK, Frank Kilian, Dezernatsverantwortlicher
– Untere Denkmalschutzbehörde RTK
– Landesamt für Denkmalpflege Hessen
– Magistrat der Stadt Eltville
– Magistrat der Stadt Oestrich-Winkel
– Ministerpräsident Land Hessen, Volker Bouffier
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