Voller Stolz berichtet die Juwi-Gruppe, dass durch ihre 770 Windkraftanlagen jedes Jahr beachtliche 3,2 Millionen Tonnen des Treibhausgases CO2 eingespart werden. Noch beachtlicher sind allerdings die CO2-Einsparungen, die auf dem Schienenkorridor zwischen Rotterdam und Genua erzielt werden. Nach der Inbetriebnahme des St. Gotthard-Basistunnels werden durch die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene noch weit größere Mengen an CO2 eingespart als durch den Betrieb der 770 WKA’s. Ganz abgesehen davon, wäre auf den Straßen überhaupt nicht genügend Platz für die gigantische Lkw-Flotte.
Während die Schweiz bereitwillig 20 Milliarden Euro allein für den St. Gotthard-Basistunnel ausgibt, werden in Deutschland die leidgeprüften Menschen an der Güterstrecke „niederschmetternd allein gelassen“. Der Termin für die Einführung der Flüsterbremsen wird auf den St. Nimmerleinstag verschoben und der Rüdesheimer Tunnel wird im Vorbeigehen gestrichen. So zwingt der Lärm des CO2-sparenden Güterverkehrs die Orte entlang der Bahntrasse und die gesamte Region in die Zweitklassigkeit.
Dessen ungeachtet hat es sich im Rheingau eingebürgert mit der Wortkeule „Sankt-Florians-Prinzip“ alle Menschen anzuprangern, die den Bau von Windkraftanlagen auf dem Taunuskamm ablehnen. „Sankt Florian, verschon mein Haus, zünd andre an“, beschreibt ein Prinzip des Handelns nach dem egoistischen Grundsatz, etwas Unangenehmes von sich selbst wegzuschieben, ungeachtet dessen, dass dann andere davon betroffen werden. Ein solcher Vorwurf, gerichtet an die an der Güterstrecke lebenden Menschen, ist menschenverachtend.
Der Güterverkehr der Bahn ist ein Kernstück der Energiewende; denn ein Güterzug verbraucht je Tonnenkilometer zwei Drittel weniger Energie und produziert drei Viertel weniger Kohlendioxid als ein LKW. Allerdings wird die Umwelt durch den unerträglichen Lärm stark belastet. Daher ist die von der hessischen Landesregierung angestrebte „gleichmäßige und solidarische Verteilung der WKA’s im Lande“ (Dr. Brans) bereits vom Ansatz her unsolidarisch. Bei dieser Vorgehensweise würde der Rheingau gleichgestellt mit anderen Regionen, die sich im Hinblick auf die Reduzierung von CO2-Emissionen bisher „einen schlanken Fuß machen“, wie beispielsweise der Hochtaunus-Kreis.
Von unserem Landrat erwarten wir, dass er gegenüber der hessischen Landesregierung die außergewöhnliche Situation des Rheingaus verdeutlicht, die sich aufgrund des Schienenkorridors 1/A zwischen Rotterdam und Genua ergibt, welcher von der EU als eine der sechs zentralen Verkehrsachsen Europas definiert wurde und eine der leistungsstärksten Achsen Europas darstellt. Die Rheingauer erfüllen ihre Verpflichtungen in Sachen Energiewende bereits heute im Übermaß – auch ohne Windkraftanlagen auf dem Taunuskamm. Und sie werden die daraus resultierenden Belastungen noch Jahrzehnte ertragen müssen.